Völklingen.Aus Seoul in Südkorea kamen Fotograf Jo Choon-Man und Kunstkritiker Lee Young June zum Arbeiten ins Saarland. Sie glauben, dass ihr neuer Fotoband über die Völklinger Hütte Touristenscharen aus Fernost locken könnte.
Womöglich muss sich das Weltkulturerbe Völklinger Hütte auf einen rasanten Anstieg südkoreanischer Touristen einstellen. Die ersten zwei sind schon da – und sie sind schwer begeistert. Seit Montag durchstreifen Jo Choon-Man und Lee Young June jeden Tag die Hütte und lassen sich von Welterbe-Projektleiter und Besucherführer Peter Backes jedes Detail der Anlage und der Eisenverhüttung erklären. Jo Choon-Man ist Fotograf und seit 20 Jahren auf Schwerindustrieanlagen spezialisiert. Lee Young June ist Kunstkritiker und Professor an der Kaywon School of Art and Design in Seoul.
Die beiden sind nicht nur zum Vergnügen hier. Sie wollen vielmehr in Südkorea ein Buch herausbringen, das die Völklinger Hütte vorstellt. „Jo Choon-Man macht die Fotografien und ich schreibe dazu einen Essay über die Bedeutung der Fotos, eine Art philosophischer Text über die Schwerindustrie und die Rückkehr der Natur“, erklärt Kunstkritiker Lee Young June.
Es sei weniger die Größe der Anlage, die sie an der Völklinger Hütte fasziniert und bewogen habe, ihr ein Buch zu widmen, sagt er. Denn in Südkorea gebe es jede Menge riesiger Industrieanlagen. Die Stahl- und Autoindustrie gilt als fünftgrößte weltweit. In der Werftindustrie von Ulan, wo Jo Choon-Man als junger Mann selbst im Blaumann arbeitete, bevor er das Geld für das Fotografiestudium beisammen hatte, baut man die größten Container-Schiffe der Welt. „Was wir aber noch nicht haben, ist eine Industrieanlage, die stillgelegt ist, die als Denkmal für Besucher offensteht“, sagt Lee Young June. Das komme vielleicht noch, insofern könnte das Weltkulturerbe Völklinger Hütte als Vorbild dienen, fügt er hinzu. Was sie aber am meisten an der Völklinger Hütte verblüfft habe, sei das viele Grün, das hier wachse. Eine Industrieanlage mit Grün, das gebe es in Südkorea nirgendwo, betont Lee Young June und blättert einen Fotoband von Jo Choon-Man auf. Die Bilder zeigen Industrieanlagen bei Tag und bei Nacht als kühle metallisch glänzende labyrinthische Strukturen, die oft wirken wie geheimnisvolle Welten von anderen Sternen.
„Jo Choon-Man war vor ein paar Jahren schon einmal hier“, erzählt sein Kollege, wie sie auf die Völklinger Hütte aufmerksam wurden. Der Fotograf gehörte damals zur Equipe des Forbacher Choreographen Ali Salmi, der beim Festival Perspectives ein Stück über Industriearbeiter aufführte, das später auch in Korea auf Tournee ging. Als Jo Choon-Man da vom Kulturerbe hörte, fuhr er hin, um es sich anzusehen, und verbrachte dann dort jede Minute, um zu fotografieren. Mindestens 700 Fotos hat er dann, wieder daheim, dem befreundeten Kunstkritiker vorgelegt und ihm vorgeschwärmt, man müsse unbedingt dazu was machen.
Das Buch, das Ende Oktober im Verlag von April Snow erscheine, werde kein Touristenführer, aber es könne dennoch Südkoreaner dazu verlocken, nach Völklingen zu kommen, ist Lee Young June überzeugt. Denn Südkoreaner seien nicht nur sehr reiselustig, sondern vor allem sehr neugierig auf ganz besondere Orte. „Paris, London, Rom, Florenz, das haben sie alles schon gesehen“, sagt er. Um etwas Neues zu entdecken, scheuten sie auch keine noch so beschwerliche Anreise. Derzeit seien etwa die Galapagos-Inseln und Uyuni, die große Salzwüste in den USA, im Trend. Dagegen sei die Reise nach Völklingen ja ein Spaziergang. „Wenn das Buch erscheint, werden sie kommen“, bekräftigt der Kunstkritiker.
09. August 2018
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